Blau blau blau sind alle meine Träume...


Blau blau blau und blauer

Mondsteinblau, Saphirblau, Adonisblau, Skarabäusblau, Maurischblau. Allein schon die Namen vieler Blautöne klingen wie Zauberwörter oder nach Geschichten aus Tausendundeine Nacht. Oder die Bezeichnungen rein blaublühender Pflanzen: Maiteppich-Veronika, Schönster Blaustern, Iris Himmelspforte, Morgenstrahl, Blaue Adria. Sofort öffnet sich unserer Imagination ein Fenster, umweht uns blauer Sommerduft. Blau ist die Farbe des Geistes, ein Geschmack, ein Geruch, eine Eigenschaft der Luft, ein Flattern, ein Flügelschlagen, vor uns die Insel Aloe. Und über uns Blau. Blau, blau, blau. Blauer als Blau. Diese Bläue, die Goethe in seiner Farbenlehre als Energie beschrieben hat, mit sonderbarerer fast unaussprechlicher Wirkung als Widerspruch zwischen Reiz und Ruhe, „in ihrer höchsten Reinheit gleichsam ein reizendes Nichts.“ Vielleicht taten sich die alten Griechen deshalb so schwer, die Himmelsfarbe überhaupt zu benennen. Denn der Himmel war längst nicht immer blau.

 

Mit Blau-Blindheit geschlagen?

Im antiken Griechenland verwendete man zu Zeiten Homers am häufigsten die Begriffe glaukos und kyaneos. Darunter verstand man das Hellblau der Augen als auch die dunkelblaue Farbe des Trauergewands, aber niemals das Blau des Himmels. Dieselbe Schwierigkeit bei der Bezeichnung für Blau findet man im klassischen und später mittelalterlichen Latein wieder. Es gab zwar eine Menge von Begriffen wie caeruleus, caesius oder glaucus, aber alle waren laut Pastoureau vieldeutig, farblich ungenau und wurden nicht einheitlich gebraucht. Die unbedeutende gesellschaftliche und symbolische Rolle der Farbe Blau in der Antike hat dazu geführt, dass die Gelehrten des 19. Jahrhunderts sich fragten: Waren diese Menschen vielleicht blaublind? Nahmen sie Blau überhaupt wahr? Oder sahen sie es etwa anders als wir heute?

 

Die Kelten und Germanen dagegen schienen keineswegs blaublind gewesen zu sein. Sie hegten sogar eine Vorliebe für Blau, das sie aus der Waidpflanze gewannen. Nach den Aussagen von Caesar und Tacticus, hatten sie die Gewohnheit den Körper blau zu bemalen, um die Feinde damit abzuschrecken. Ovid fügte hinzu, dass die Germanen sich im Alter die weißen Haare mit Waid färbten, damit diese dunkler erschienen. Plinius behauptet sogar, dass die Frauen der Bretonen sich die Körper mit eben diesem Färbemittel, das sie glastum nannten, dunkelblau anmalten, um sich dann in Orgien zu stürzen. Blau musste man infolgedessen misstrauen, ja verabscheuen. So hatte blaue Kleidung in Rom etwas Abwertendes und Exzentrisches. Sie galt als unschön, wenn sie hell war und unheimlich, wenn sie dunkel war und wurde oft mit dem Tod und der Unterwelt in Verbindung gebracht. Blaue Augen waren beinahe ein Schönheitsfehler. Bei der Frau galten sie als Zeichen der Tugendlosigkeit und beim Mann wirkten sie barbarisch oder lächerlich weibisch. Das Theater hatte großes Vergnügen daran, solche Attribute zu karikieren.

Licht aus höheren Sphären

Im Frühmittelalter des Westens war Blau wie bei den alten Griechen und Römern eine Farbe, die wenig Beachtung fand. In der Kunst kommt die Farbe Blau zwar in den frühchristlichen Mosaiken und Miniaturen vor, doch hat sie einen geringeren Stellenwert als die drei Grundfarben des Altertums: Rot, Weiß und Schwarz. Sie ist immer noch nicht die Farbe des Himmels, der für viele Autoren und Künstler meist weiß, rot oder goldfarben ist. Nur in den waidgefärbten Stoffen der niederen Stände ist Blau weiterhin vorhanden, als Erbe der Barbaren.

Erst Ende des ersten Jahrtausend vollzog sich ein allmählicher Wandel in der Ikonografie der Buchmalerei. Das Blau wurde heller und leuchtender und übernahm nun die Rolle des göttlichen Lichts im Bildhintergrund. Die neue Einstellung zum Blau ging mit einer neuen Lichttheologie einher, die in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts voll zur Entfaltung kam. Doch löste diese Entwicklung innerhalb der Kirche heftige Kontroversen aus. Die leidenschaftlich diskutierte Frage lautete: Sind Farbe und Licht eine Einheit und somit Ausdruck des Göttlichen. Oder ist Farbe nur eine materielle Hülle, flüchtiges Blendwerk, das strikt abzulehnen ist. Von den Farbbefürwortern war der französische Kirchenfürst Suger ( 1081 - 1151 ) wohl der berühmteste. In den Jahren 1130 bis 1140, als er seine Abteikirche in Saint-Denis  umbauen ließ, räumte er der Farbe einen bedeutenden Platz ein. Seiner Auffassung nach, konnte im Hause Gottes nichts zu schön sein. Alle Techniken und Hilfsmittel, Malereien, Emailarbeiten, Stoffe, Edelsteine, Goldschmiedearbeiten sollten genutzt werden, um die Basilika zu einem leuchtenden Farbentempel zu machen. Hierbei sollte die Farbe Blau künftig eine wichtige Rolle spielen: Genau wie Gold ist Blau Licht, göttliches Licht, himmlisches Licht, in dem sich alles, was geschaffen wurde, spiegelt. 

Rosettenfenster in Saint-Denis. Für die Glaskünstler des 12. und 13. Jahrhunderts war es erste Bedingung, das Blau richtig einsetzen zu können.
Rosettenfenster in Saint-Denis

Für die Glaskünstler des 12. und 13. Jahrhunderts war es erste Bedingung, das Blau richtig einsetzen zu können. "Blau ist Licht in den Glasfenstern und Licht erhält seinen Wert nur durch Kontraste. Aber gerade diese Lichtfarbe gibt allen Farbtönen ihren Wert. Würde man ein Glasfenster zusammensetzen, ohne Blau zu verwenden, so hätte man nur eine dumpfe oder grelle Oberfläche, der das Auge ausweichen würde; verteilt man aber einige blaue Stellen in der Mitte der Farbtöne, so erhält man sofort reizvolle Wirkungen oder sogar eine geschickt gefügte Harmonie", schreibt Eugène Emmanuel Viollet-Le-Duc, Frankreichs führender Restaurator ab den frühen 1840er Jahren.

Mehrere Jahrhunderte lang sollten fortan in der abendländischen Kunst Licht, Gold und Blau fast den gleichen Rang einnehmen. Deutlich lässt sich die neue Auffassung am Mantel der Jungfrau Maria ablesen. Jahrhundertelang konnte Maria zum Ausdruck ihrer Trauer jede beliebige düstere Farbe tragen. Doch in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts reduzierte sich diese Farbpalette auf Blau, und zwar hell, rein und leuchtend. Die Glasmacher und Buchmaler bemühten sich das neue marianische Blau mit der veränderten theologischen Lichtauffassung in Einklang zu bringen. Die ungewöhnliche Entfaltung des Marienkults unterstützte die Aufwertung des Blaus in allen gesellschaftlichen Bereichen. Ob Kunst, Literatur oder Mode, innerhalb kürzester Zeit avancierte Blau zur schönsten Farbe von allen.

 

Die Macht des blauen Goldes

Der Aufstieg der Farbe Blau im 12. und 13. Jahrhundert umfasste alle gesellschaftlichen Bereiche und hatte auch wirtschaftlich weitreichende Folgen. Langsam aber stetig vollzog sich ein Wandel von der beim Adel favorisierten Farbe Rot zum Blau. Dazu trugen zunächst die neuen Techniken der Tuchfärber bei. Die Herstellung eines hellen, leuchtenden Blaus war nun möglich, ein Blau, das gegenüber den dumpfen, dunklen Blautönen der niederen Stände brillierte. Diese neue Entwicklung war der Grund dafür, dass sich zahlreiche Gegenden wie die Picardie und die Normandie, die Lombardei, Thüringen und die Grafschaft Lincoln auf den Waidanbau spezialisierten. Das Blaufärben mit Waid war ein zeitraubendes und schmutziges, aber sehr einträgliches Handwerk. Ganze Landstriche profitierten davon. Städten wie Toulouse und Erfurt verhalf der Handel mit der Färberpflanze zu großem Wohlstand. Pierre de Berny zum Beispiel, ein Händler aus Toulouse, wurde durch diesen Handel so reich, dass er 1525 für das gewaltige Lösegeld aufkommen konnte, das Karl V...für die Freilassung von Franz I. verlangte, der bei der Schlacht von Pavia gefangen genommen worden war.

 

Doch das Geschäft mit dem blauen Gold hielt nicht an. Durch die Entdeckung der Seewege nach Amerika und Indien gelangten im 16. Jahrhundert große Mengen eines neuen exotischen Farbstoffes auf den europäischen Markt, der alle heimischen Blaus übertraf. Die tropische Pflanze Indigofera Tinctoria war dem Waid an Qualität und Ertrag weit überlegen. Selbst der beste Waid besaß eine schwächere Färbewirkung als der mittelmäßigste Indigo. Zudem wurden auf den Plantagen in der Neuen Welt immer mehr Sklaven eingesetzt. Trotz des Transports über den Ozean war der Selbstkostenpreis entsprechend niedrig. Die Kolonialherren witterten hohe Gewinne. In ihrer Not brandmarkten die einheimischen Waidproduzenten den Indigo als heimtückische, ätzende, das Gewebe fressende Teufelsfarbe. Länder und Städte erließen harte Indigo-Verbote. In Frankreich drohten mehrere königliche Erlasse bei Verwendung des Farbstoffes sogar mit der Todesstrafe. Ähnliche Verbote findet man in Nürnberg und in anderen deutschen Städten. Vergeblich. Letztlich siegten Leuchtkraft und Reinheit des importierten Blaus, und der europäische Waidanbau kam im 18. Jahrhundert endgültig zum Erliegen.

 

Die Alchemie der Blaukünstler

Von 1370 bis 1440 lebte in Florenz ein Maler, Cennino Cennini, von dem es kein einziges Bild mehr gibt, aber ein von ihm verfasstes Buch „Il Libro dell`Arte“ oder „Trattato della Pittura“. In diesem beschreibt der Autor neben der Herstellung anderer Farben auch die Gewinnung des beim Klerus so beliebten Ultramarin, eine äußerst zeitraubende Angelegenheit. 49 Arbeitsgänge, die sich über mehrere Wochen erstreckten, waren nötig. Die Ausbeute hing sehr von der aufgewandten Geduld ab und betrug kaum mehr als 10 %, bezogen auf das Rohmaterial.

 

Azzurro oltramarino ist wahrlich eine edle Farbe, schön, vollkommen über alle Farben, von demselben kann man nicht leicht zuviel Rühmens machen. Ich will aber über seine Vorzüglichkeit kein Breites sagen, sondern dir anzeigen, wie man es macht. Sei recht aufmerksam, auf dass du große Ehre und Nutzen davon habest. Mit dieser Farbe und dem Golde ( welches alle Arbeit in unserer Kunst verschönt ) erhält jedes Ding auf der Mauer oder Tafel Glanz. - Für´s erste nimm Lapis lazzari. Und wenn du dich von der Güte des Steines überzeugen willst, so wähle den, der mehr Azzurro zu enthalten scheint, weil er zuweilen ganz wie mit Asche gemischt aussieht. . . Und wisse, dass die jungen Schönen es besser zu machen verstehen, als die Männer, weil sie beständig daheimbleiben, geduldiger sind und zartere Hände haben. Nur vor den Alten hüte dich.“

 

Blaues Farbmittel ist in der Natur selten und entsprechend aufwendig zu gewinnen.  Kostspieliges Ultramarinpigment war für viele Maler unerschwinglich, so wurde zum Beispiel mit Bindemittel versetzter Indigo auch in der Buch- und Tafelmalerei verwendet. Die Malerwerkstätten und Skriptorien glichen nicht selten Alchemistenküchen. Chemische Versuche zur Farbenherstellung waren an der Tagesordnung. Künstler entwickelten gut gehütete Rezepturen, die Wirkung ihrer Farben hing nicht zuletzt von den individuellen Misch- und Lasurtechniken ab. Leonardo da Vinci erfand eine spezielle Technik, das Blau in dünnen Lasurschichten so aufzutragen, dass es seinen Bildern eine geheimnisvolle Tiefe verlieh. Die Mona Lisa zeigt wie diese Technik - Sfumato genannt - den Hintergrund in einem nebligen Dunst verschwimmen lässt.  Auch der Kopf des Bildnis ist von einem hauchfeinen Blauschleier umgeben und unterstreicht den seltsamen Zauber der Dame, der das Gemälde zu einem der rätselhaftesten der Welt machte.

 

Jan Vermeer. Die Junge Frau mit der Wasserkanne am Fenster, 1664 - 1665
Vermeer. Die Junge Frau mit der Wasserkanne, 1664

Ein weiterer berühmter “Blau-Maler“ - derjenige, der das Spiel mit den Blautönen sicher am perfektesten beherrschte - war Jan Vermeer. „Die Junge Frau mit der Wasserkanne am Fenster“ ist ein Beispiel wie der holländische Maler Blau nicht nur flächenintensiv, sondern auch zur Modellierung von Lichtspiegelungen und Schatten einsetzt.                                                            

 

Den meisten Zeitgenossen dieser beiden Genies fiel es allerdings noch schwer, die Nuancen und Effekte bei den dunklen Blautönen zu variieren. Sie hatten nicht nur Probleme damit, die Farben herzustellen, sondern auch, kräftige, satte Farben zu erhalten, zu fixieren und vor allem sie großflächig anzuwenden. Weder mit Lapislazuli noch mit dem weitaus preisgünstigeren Kupfermineral Azurit war dies möglich. Und noch weniger  mit  pflanzlichen  Stoffen  wie  dem Waid  oder verschiedenen Beeren.

 

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts änderte sich das. 1709 wurde in Berlin eine künstliche Farbe entwickelt, die Erfolge verzeichnete, wie sie jahrhundertelang nicht gelungen waren: Das Preußischblau. Kobaltblau kam 1802 hinzu. Immer mehr Blautöne bereicherten nun die Palette der Maler. Keiner dieser Töne vermochte jedoch die Leuchtkraft des Ultramarins zu erreichen. Deshalb setzte man 1824 in Paris einen hohen Preis aus auf die "Entdeckung eines wohlfeilen Verfahrens zur Bereitung eines künstlichen Ultramarin, das dem aus dem Lasurstein gewonnenen vollkommen ähnlich wäre und zu 300 Franken je Pfund geliefert werden könnte". 1828 wurde die Prämie an Jean Baptiste Guimet in Toulouse vergeben. Im gleichen Jahr noch und unabhängig davon entwickelten sowohl C. G. Gmelin in Tübingen und Friedrich August Köttig in Meißen ebenfalls ein synthetisches Ultramarin. Als Lasursteinblau erlangte Köttigs Variante schon ein Jahr später in der Meißener Porzellanmanufaktur Fabrikationsreife.

Doch das war erst der Anfang. Bei der Synthese des Ultramarins stellte sich bald heraus, dass man aus den Ausgangsstoffen auch grüne, violette, rote und gelbe Pulver herstellen konnte. Eine nahezu unendliche Skala dazwischenliegender Töne entwickelte sich daraus. Doch das blaueste aller Blaus, das göttliche, himmlische, ist die wichtigste Farbe innerhalb dieser Gruppe geblieben und wird es wohl immer bleiben. Denn wie sagte schon Théodore Turquet de Mayerne - Koryphäe in kunsttechnischen Rezepturen - vor vierhundert Jahren: Ultramarin verblasst nie, ist unsterblich: Ultramarin ne meurt jamais.

 

Das BLAU der Modernen Maler

Mit der industriellen Farbenherstellung verlor Blau zwar seine herausragende Stellung. Doch einige moderne Maler entwickelten eine besondere Beziehung zu dieser Farbe und setzten sie großzügig als Ausdrucksfarbe mit all ihren Bedeutungsmöglichkeiten und Nuancen ein. Cézanne (1839-1906), zählt zu den Wegbereitern der Klassischen Moderne. Er war ein Sonderling, oft unverstanden, seiner Zeit weit voraus; ein Maler, der aus den Tiefen des Meeres, des Unbewussten schöpfte. Seit Mitte der achtziger Jahre war für Cézanne in einem Bild der allen Dingen gemeinsame Schattenton blau, ganz gleich, welche besondere Farbe ein Gegenstand besaß. Besonders auffallend ist die Dominanz des Blaus in seinen Figurenkompositionen. Zu seinen beliebtesten Motiven gehören die Badenden. Cézanne schuf etwa 140 Gemälde und Skizzen zum Thema. Er malte sie aus der Phantasie und sie spiegeln seine Bildvorstellungen am freiesten. Die Blaus herrschen unbeschränkt. Der Kunsthistoriker Karl Tolnai beschreibt es so: „Dies Blau ist keine Luft, sondern mehr als das, ein stoffliches Fluidum, dicht und flüssig zugleich, ein Element, in dem sich alle Substanzen einander angleichen.“ Und der Historiker Kurt Badt sagt: „Cézanne setzt seinen Gegenstand in eine Farbwelt, die zu unserer wirklichen „parallel“ ist, wie sein eigener Ausdruck lautet, die aber keinen einzigen Punkt mit ihr gemeinsam hat.“ So habe Cézanne dem Blau eine Bedeutungstiefe neuer Art, eine innerste Innerlichkeit und eine tiefste Vertiefung gegeben, es zur Grundfarbe und Grundlage im Zusammenbestehen der Dinge gemacht. Denn in dieser Verwendung übersteige das Blau jede Partikularität, die ihm in den früheren Verwendungen noch anhaftete, es sei nun als einer tieferen Schicht des Daseins zugehörig, erkannt, nämlich der Sphäre des Wesens und des Wesentlichen.“

 

Paul Cézanne. Die großen Badenden, 1898 - 1905
Die großen Badenden, 1898 - 1905

 

 

Die Landschaft spiegelt sich, vermenschlicht sich, denkt sich in mir. . . Ich steige mit ihr zu den Wurzeln der Welt. Wir keimen. Eine zärtliche Erregung ergreift mich und aus den Wurzeln dieser Erregung steigt dann der Saft, die Farbe. Ich bin der wirklichen Welt geboren. Ich sehe! Um das zu malen, muss dann das Handwerk einsetzen, aber ein demütiges Handwerk, das gehorcht und bereit ist, unbewusst zu übertragen.

 

Paul Cézanne

 

 

In der abstrakten Malerei haben Formen und Farben eine besondere Bedeutung erlangt. Das Gegenständliche, die Details treten in den Hintergrund oder verschwinden ganz. Was bleibt sind häufig nur Formen und Farben, Licht und Schatten, einfache Ausdrucksformen, die die Gefühle des Malers wiedergeben und mehr oder weniger stark auf den Betrachter des Bildes wirken. Gauguin war einer der ersten Maler, der forderte, Empfindungen durch Abstraktion darzustellen. Wie Kandinsky verglich er die Wirkung der Farben oft mit die der Musik: "Die Farbe als solche ist rätselhaft in den Empfindungen, die sie in uns erregt. So muss man sie auch auf rätselhafte Weise gebrauchen, wenn man sich ihrer bedient, nicht zum Zeichnen, sondern um der musikalischen Wirkungen willen, die von ihr ausgehen, von ihrer eigenen Natur, von ihrer inneren, mysteriösen, rätselhaften Kraft." Die warmen Orange-Gelbtöne seiner Südseebildnisse kontrastierte Gauguin gerne mit blauen Hintergründen, wohl wissend, dass keine andere Farbe besser die sehnsuchtsvolle Suche nach der Erfüllung unserer Träume in uns weckt.

 

Innerhalb des Farbspektrums ist Blau die als am kältesten empfundene Farbe. Blau symbolisiert gefühlsmäßige Distanz, Ruhe und Passivität, Eigenschaften, die als Voraussetzung für Vernunft und höhere Erkenntnis gelten. Sowohl für Franz Marc als auch für seinen Kollegen Wassily Kandinsky war Blau die Farbe des Geistigen. Im Jahre 1912 gaben sie zusammen einen Almanach heraus, den sie "Blauer Reiter" nannten, die gleiche Bezeichnung wie die der berühmten Künstlergruppe, der beide angehörten. Beide Maler liebten die Farbe Blau und Pferde. Berühmt geworden sind die blauen Pferde von Franz Marc. Sie waren Ausdruck der Suche nach Erlösung von irdischer Schwere und materieller Gebundenheit. Das Pferd war für ihn Sinnbild ungebrochener Kraft. Marc gab mit seinen blauen Pferden und den anderen Tierdarstellungen den Geschöpfen der Natur die Seele zurück, wie sie sie in den Höhlenmalereien noch hatten. Bei Marc waren es die Pferde, die Träume und Sehnsüchte hatten. Er selbst hatte eine innige Beziehung zu den Tieren, die alles Gute in ihm erklingen ließen.

 

Blau blau blau. das blaueste von allen


Yves Klein ist wohl der Maler, dessen Werk man am stärksten mit der Farbe Blau assoziiert. Mit 18 Jahren schuf er sein erstes unendliches und immaterielles Gemälde am Strand von Nizza liegend, indem er den blauen mediterranen Himmel signierte und zu seinem schönsten und größten Monochrom erklärte. Symbolisch legte die Geste den Grundstein zu seinem späteren Künstlerkonzept: Er wollte „die Leere“ darstellen. Nachdem er 1949, beeindruckt vom Blau der Fresken in der Basilika von Assisi, von einer Italienreise zurückkehrte, begann er seine ersten monochromen Bilder zu malen, die er bei sich zu Hause ausstellte. Ab Mitte der fünfziger Jahre setzte er zunehmend ein besonders intensives Ultramarinblau ein, dessen Leuchtkraft er mithilfe eines Fixativs noch steigerte und das er später als International Klein Blue, kurz I.K.B. patentieren ließ.

 

Der Name klingt vielleicht nicht nach Zaubermärchen, dafür das Rezept ganz nach Alchemistenküche:

FIXATIV von I.K.B. 1,2 Kilo

Rhodopas (zähflüssiges Produkt)

M A (Rhône Poulenc) (Vinylchlorid)

2,2 Kilo Äthylalkohol 95 Prozent industriell, denaturiert

0,6 Kilo Athylazetat

Eine Gesamtmenge von 4 Kilo.

Kalt mischen durch kräftiges Schütteln und niemals unbedeckt erhitzen! Dann das reine Ultramarinblau (...) in Puderform mit dem Bindemittel im Verhältnis zu 50 Prozent mischen – wenn man 1/10 der Gesamtmenge mit reinem Azeton vermischt – und 40 Prozent – wenn man reinen Alkohol hinzufügt, mischen. Mit einer Rolle, einem Pinsel oder einer Spritzpistole auf einen Trägergrund aus Holz (...) oder Hartfaserplatte auf der Rückseite mit Streifen verstärkt, auftragen. Mit Zellophan abdecken.

 


Literaturnachweise

Blog-Artikel: Nora Thielen

                                                                                   

Nora Thielen - Alles Blau in meinem Buche

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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