Wassertherapie: Von den ersten Kuren in der Antike bis zu Pfarrer Kneipp

Wasser wirkt Wunder! Sowohl innerlich wie äußerlich. Schon die alten Griechen unternahmen Bildungsreisen nach Ägypten, um die methodische Anwendung dieses einfachen und äußerst wirksamen Heilmittels zu erlernen.

 

In der Antike sollte jeder Grieche schwimmen können. So wie der Sagenheld Leander. Allabendlich tauchte er in die Fluten, um über den Hellespont von Abydos nach Sestos zu schwimmen, wo ihm vom Turm die Leuchte seiner Geliebten Hero den Weg wies. Auch in kriegerischen Auseinandersetzungen war   schwimmen können von Vorteil; schwimmen lernen war so wichtig wie lesen lernen. So fragt der griechische Philosoph Platon in einem seiner „Gesetze“: „Wird man Leuten, die das Gegenteil von weise sind, die wie das Sprichwort sagt, weder schwimmen noch lesen können, ein Amt übergeben?“ Der Analphabet der alten Griechen: Ein Mensch, der weder schwimmen noch lesen kann.

 

Erfahrene griechische Ärzte nutzten bereits das Schwimmen zu medizinischen Zwecken, so zum Beispiel bei Verrenkungen, Versteifungen der Glieder und einigen inneren Krankheiten. Ihr Vorbild war die exzellente Wasserkur der Ägypter. Griechische Gelehrte wie Pythagoras, Herodot, Platon und Eudoxos reisten immer wieder in das Land am Nil, um dort von den heilkundigen Priestern zu lernen. Die griechischen Ärzte übernahmen nicht nur verschiedene Methoden der Ägypter, sondern entwickelten die Wasserkur weiter.

 

Schon Herodikos setzte sich nachhaltig für den gesundheitlichen Wert des kalten Wassers ein. Doch erst durch seinen berühmten Schüler Hippokrates erlangte die Wasserheilkunde wissenschaftliche Bedeutung. Im 4. Jahrhundert v. Chr. schuf dieser die ersten ausgedehnten, nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten geordneten Angaben über die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten des Wassers. Als erster behaupteter er, dass kaltes Wasser wärme, warmes dagegen kühle. Er kannte Begießungen mit kaltem Wasser bei Starrkrampf, Rheuma und Gicht, benutzte Waschungen, Bäder, Wickel und ließ seine Patienten bei fieberhaften Erkrankungen sehr viel reines oder mit Honig vermischtes Wasser trinken.

 

Als abhärtend galten bei den Griechen Schwitzbäder, die durch Kohlebecken und heiße Steine geheizt wurden. Petronas, ein Arzt aus der Zeit des Hippokrates, erfand das Kastendampfbad, das auch im späteren Mittelalter bekannt war und dann Ende des 18. Jahrhundert zu neuem Leben erweckt wurde.

 

Stätten der Genesung und natürlich auch der Unterhaltung waren die vielen über Heilquellen verfügenden Badeorte auf dem griechischen Festland, auf den Inseln Euböa, Melos und Lesbos sowie in den von den Griechen beherrschten Gebieten des Mittelmeerraumes. Zahlreiche Quellen waren Göttern geweiht, dem Apollon oder seiner Schwester Artemis, dem Übelabwender und Weltenwanderer Herakles und in der späteren Zeit dem Heilgott Asklepios ( Äskulap ).

 

Das wohl berühmteste Heiligtum des Asklepios befand sich in der an der Ostküste der Argolis gelegenen Stadt Epidauros. Den Tempel des in der Antike viel besuchten Kurortes umgaben Gebäude zur Aufnahme von Kranken. Wie alle Asklepieien zeichnete er sich durch eine besonders günstige Lage, sehr reine Luft und die Nähe einer Quelle aus. Kurmittel waren neben den Bädern auch der Aufenthalt in luftigen Zellen, eine strenge Diät und gymnastische Übungen.

Wegbereiter der modernen Wassertherapie

 Der Kampf gegen Pocken und Pest

Wertvolle Wasseranwendungen schienen lange Zeit in Vergessenheit geraten zu sein. Im 15. Jh. geriet das Heilen mit kaltem Wasser geradezu in Verruf, da man die Übertragung von Infektionskrankheiten fürchtete.  Nur das Engagement einzelner Ärzte, das Fortwirken uralter Volksbräuche und nicht zuletzt die Beschäftigung mit der Antike legten im 17. Jh. die Grundlagen zur heutigen Hydrotherapie.

 

 Der Traum vom Jungbrunnen. Lucas Cranach, 1546
Der Traum vom Jungbrunnen. Lucas Cranach, 1546

Einer der Wegbereiter war der Arzt Herman van der Heyden aus Gent. Im Jahre 1643 soll er während einer verheerenden Ruhrepidemie 360 Kranke mit Hilfe von kaltem Wasser geheilt haben. Die entscheidenden Impulse aber gingen von englischen Ärzten aus. Mit den verschiedensten Anwendungen versuchten sie unter der ärmeren städtischen Bevölkerung Krankheiten wie Skrofulose und Rachitis zu bekämpfen. Großen Widerhall fand John Floyers „Psychrolusia“, eine Geschichte des kalten Bades. Die Schrift erreichte in London zwischen 1702 und 1732 sechs Auflagen und wurde 1749 ins Deutsche übersetzt. Begeisterte Anhänger der Hydrotherapie waren auch der in Bath tätige Arzt Edward Baynard und der berühmte niederländische Arzt Hermann Boerhaave, Professor an der Universität Leiden. Er benutzte vor allem Übergießungen bei der Behandlung gelähmter Patienten.

 

In Deutschland waren es besonders die oft verspotteten „Wasser-Hähne“, die von sich Reden machten. Erfolgreich setzten sich Johann Sigmund Hahn und sein gleichnamiger Sohn im Jahre 1737 bei einer furchtbaren Typhusepidemie in Breslau ein. Hahn junior, der wie sein Vater auch bei rauer Witterung kalt badete, verfocht seine unkonventionellen Ideen gerne mit dem französischen Sprichwort: „Dix yvrognes ne valent pas en amoureuse affaire un buveur d´eau.“ ( Zehn Trunkenbolde vermögen im Liebeshandel nicht soviel wie ein Wassertrinker. )

 

Zu einem wahren Mekka der Leidenden wurde in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts die Insel Malta, wo der aus Sizilien stammende Kapuziner Bernardo als Wasserarzt wirkte. In Europa erregte er ungeheures Aufsehen durch seine Kuren mit kaltem Wasser, Eis und Schnee. Vor allem wandte er seine mit einer strengen Diät verbundene Kur gegen die Pocken an. Durch die Einseitigkeit seiner Kuren geriet der Kapuziner allerdings in den Ruf der Kurpfuscherei. Doch einzelne Heilmittel, wie das Barfußgehen auf nassem Boden und frischem Schnee, waren durchaus wirkungsvoll und sollten in der späteren Wasserheilkunde wieder eine Rolle spielen.

 

Gerade bei der Bekämpfung von Epidemien, und an erster Stelle stand hier die Pest, versuchten immer wieder Ärzte mit kaltem Wasser, Schnee und Eis zum Erfolg zu kommen. Der Moskauer Arzt Samoilowitz schilderte in einer 1783 erschienen Abhandlung, wie er im Spital des Klosters Ugreschinsky Pestkranke mit Eis abrieb und im Wechsel dazu schweißtreibende Mittel benutzte. Bedenkt man, wie machtlos die Medizin solch verheerenden Seuchen gegenüberstand – zwischen 1770 und 1772 fielen allein in Moskau 133 000 Menschen der Pest zum Opfer – dann wird leicht verständlich, dass zur Reinigung des Körpers immer wieder auf die uralte Kaltwasserkur zurückgegriffen wurde.

Prießnitz: Vom einfachen Bauern zum erfolgreichen Wasserdoktor

Vincenz Prießnitz, Lithographie von Andreas Staub, um 1830
Vincenz Prießnitz, Lithographie von Andreas Staub, um 1830

Anfang des 19. Jahrhunderts machte der neunzehnjährige Bauernsohn Vincenz Prießnitz aus Gräfenberg im österreichischen Schlesien mit ungewöhnlichen Heilerfolgen auf sich aufmerksam. Vincenz konnte kaum lesen und schreiben, hatte aber praktisches Geschick und eine gute Beobachtungsgabe. So war ihm aufgefallen, dass viele seiner Landsleute kleinere Verletzungen ihrer Pferde und Rinder erfolgreich mit kalten Umschlägen behandelten. Nachdem er selbst mit einem feuchten Wickel gute Erfahrungen gemacht hatte – er war vom Pferd gestürzt und hatte sich zwei Rippen gebrochen – war er endgültig vom Wert der Wasserbehandlung überzeugt. Bald verbreitete sich sein Ruf als Wasserdoktor und er wurde in entfernte Ortschaften gerufen, wo vor allem ärmere Kranke seine Hilfe in Anspruch nahmen.

 

Trotz heftiger Widerstände seitens der Ärzteschaft, erreichte Prießnitz 1830 die Genehmigung zur Errichtung und Führung einer Kaltwasser-Heilanstalt. Prießnitz nahm an, dass alle Krankheiten, die nicht in äußerlichen Verletzungen gründeten, durch schlechte Säfte entstünden. Und diese Verunreinigungen rührten vom Genuss schädlicher und zu vieler Nahrungsmittel, sowie von Bewegungsmangel und unterdrückter Hautausatmung. Aber auch Zorn, Ärger, Sorgen und Kummer hielt er für wichtige Ursachen bei der Entstehung von Krankheiten. Es liegt nahe, dass der junge Heilpraktiker nicht nur kaltes Wasser, sondern auch gesunde Luft, Bewegung und Diät für wesentliche Heilfaktoren hielt. Womit wir wieder bei den Kuren der alten Griechen wären.

 

Zur Blütezeit der Gräfenberger Einrichtung, in der etwa 100 Heilungssuchende aufgenommen werden konnten und weitere 150 Kranke im Dorf Unterkunft fanden, nutzte Prießnitz bereits eine ganze Palette von Kurmitteln. Neben den Vollbädern kannte Prießnitz Halbbäder und die unterschiedlichsten Teilbäder für die spezielle Einwirkung auf einzelne Körperteile. Für das beste Abhärtungsmittel – und Abhärtung spielte für ihn eine große Rolle – hielt er die Dusche, wobei eiskaltes Wasser im dicken Strahl aus einer Höhe von mehreren Metern auf den Patienten niederfiel. Die Trinkkur ( 12 – 30 Gläser Wasser täglich ) Abwaschungen, Umschläge, Klistiere und Spülungen ergänzten die Behandlung.

 

Anstrengend war seine Schwitzkur. Der Kranke wurde bis zur Kinnspitze fest in Decken eingewickelt, darüber kamen Federbetten, damit die Körperwärme nicht entweichen konnte, nun blieb er oft stundenlang liegen, bis es zum Schweißausbruch kam. Sobald der Patient tüchtig schwitzte, wurden die Fenster geöffnet und er bekam kaltes Wasser zu trinken, ein anschließendes kaltes Bad beendete die Schwitzkur. Am Ende seines Wirkens wurde Prießnitz vorsichtiger und gab die sehr den Kreislauf belastende Prozedur auf.

 

Prießnitz war Zeit seines Lebens auf Einfachheit bedacht. Luxuriöse Zimmer konnte und wollte er nicht bieten, obwohl er sehr reiche Patienten hatte. Zur Ausstattung der Kammern gehörten Bettstellen mit Stroh, eine Kommode, ein Tisch mit Stühlen, Spiegel, Stiefelknecht, Leuchter, eine große Wasserschale und eine Wasserflasche mit Glas. Das Konzept machte Schule. Allein in Deutschland entstanden bis zum Jahre 1850 mehr als 20 Anstalten nach dem Vorbild in Gräfenberg. Ähnliche Einrichtungen gab es in England, Frankreich, Italien, in der Schweiz, den Niederlanden und Russland.

 

Die Geschichte der Hydrotherapie erscheint wie ein ständiges Auf und Ab“, schreibt Horst Prignitz in seiner Entwicklungsgeschichte über das Badewesen. „Auf übertriebene Begeisterung folgte ebenso übertriebene Skepsis.“ Neue Heilverfahren, vor allem medikamentöse Behandlungen in Folge der chemischen Industrie liefen der Wasserkur Ende des 19. Jahrhunderts den Rang ab. Und dann war es wieder ein Laie, der dem Wasserheilverfahren erneut zum Durchbruch verhalf. Nach dem Bauern Prießnitz jetzt der Priester Sebastian Kneipp.

Pfarrer Kneipp: Berühmt durch kalte Güsse und Wassertreten

Kneipp wuchs als Sohn armer Eltern im bayrisch - schwäbischen Stephansried auf. Nachdem sein Elternhaus abgebrannt und somit seine Ersparnisse in der Höhe von 70 Gulden verlorengegangen waren, verließ er mit achtzehn Jahren den Heimatort und fand eine Anstellung als Knecht in Grönenbach. Ein entfernter Verwandter, Kaplan Matthias Merkle nahm sich Kneipps an, unterrichtete ihn in Latein und bereitete ihn so auf sein späteres Theologiestudium in Dillingen und München vor. In Grönenbach lernte Kneipp auch den evangelisch - reformierten Ortspfarrer und Botaniker Christoph Ludwig Köberlin kennen, der ihn mit der Pflanzenheilkunde vertraut machte.  Als den jungen Kneipp im Jahre 1846 ein Lungenleiden befiel, beschäftigte er sich mit der Schrift „Unterricht von der Heilkraft des frischen Wassers“ von Johann Sigmund Hahn junior und versuchte sich daraufhin selbst zu kurieren. Es sei dahingestellt, ob wirklich die kurzen eiskalten Donaubäder zur Heilung führten. Kneipp jedenfalls war überzeugt davon und gab fortan seinen Amtsbrüdern manch nützlichen Ratschlag.

 

1855 kam Kneipp als Beichtvater ins Kloster der Dominikanerinnen in Wörishofen. Die dortige Waschküche wurde für viele Jahre zum Badehaus. Von hier breitete sich sein Ruf als Wasserdoktor aus. Im Jahre 1881 schuf er dann eine Wasserheilanstalt, der erste Impuls für den späteren Aufschwung des Städtchens zum bekannten Kurort.

 

Im Gegensatz zu Prießnitz konnte Kneipp für die Entwicklung seiner Methoden auf jahrzehntelange Erfahrungen und eine umfangreiche Literatur zurückgreifen. Als im Jahre 1886 sein Buch „Meine Wasserkur“ erschien, wurde Kneipp auf einen Schlag populärer als Prießnitz je gewesen war, - schon acht Jahre später war die 50. Auflage vergriffen.

 

Bei den Wasseranwendungen war Kneipp vorsichtiger und vielseitiger als Prießnitz. Doch legte er ebenfalls Wert auf Abhärtung, Einfachheit und Mäßigung. Eine besondere Rolle spielten in seiner Kur die kalten Güsse, deren positive Wirkung auf Kreislauf, Stoffwechsel und Nervensystem bis heute unumstritten sind. Kneipps Methode zeichnet die Vielzahl unterschiedlichster Güsse aus, mit denen er versuchte auf einzelne erkrankte Glieder einzuwirken. Ebenso gezielt wie Prießnitz setzte er Bäder, Waschungen, Umschläge, Wickel und die Trinkkur ein. Neu war, dass er sich zum einen gegen lange Behandlungen aussprach und sich zum anderen nicht allein auf kaltes Wasser beschränkte. Bekannt sind heute noch Wassertreten und Barfußgehen auf der nassen Wiese. In seiner Schrift „Meine Wasserkur“ spricht er sich nachdrücklich gegen jede Übertreibung bei den Anwendungen aus. Gar nichts nämlich bringt das Wasser als Heilmittel so sehr in Verruf und Misskredit als indiskretes, maß- und vernunftloses Anwenden, scharfes, strenges, schroffes Verfahren. Diejenigen, ja allein diejenigen, ich kann es nicht oft genug wiederholen, welche sich als Sachverständige im Wasserheilverfahren aufspielen, aber mit ihrem endlosen Wickeln, ihren fast das Blut austreibenden Dämpfen u. A. jeden Patienten abschrecken, richten den größten Schaden an, der nur überaus schwer wieder gut zu machen ist. Ich heiße das nicht das Wasser zu Heilzwecken gebrauchen, ich heiße solche Gewalttaten – man verzeihe den Ausdruck - dem Wasser Schande antun!“

 

Nach Kneipps Tod im Jahre 1897 zählte man in Mitteleuropa mehr als 100 größere Wasserheilanstalten, dazu eine Vielzahl kleinere Einrichtungen. Sie alle aber standen unter ärztlicher Aufsicht und man legte wie ehemals bei den antiken Heilern Wert auf eine die Kur unterstützende Lebensweise. Franz Carl Müller gab 1890 in seiner „Hydrotherapie“ exakt an, wie eine Wasserheilanstalt eingerichtet sein sollte. So wurde eine mittlere Höhenlage empfohlen. Wichtig sei zudem Ruhe und eine bewaldete Umgebung, um ausgiebige Spaziergänge machen zu können. Zur Kur sollten unbedingt die verschiedensten Bäder vom Moor- bis zum Solebad gehören. Und natürlich Bewegung, Bewegung, gymnastische Übung jeder Art. So haben die frühen Bildungsreisen unserer Freunde Pythagoras, Herodot und Platon also Früchte getragen. Bis heute hat die  Wasserkur in der Medizin ihren gesicherten, nicht mehr wegzudenkenden Platz behalten.

 

Literatur: Horst Prignitz. Wasserkur und Badelust. Leipzig 1986

Bildquellen ©  wikimedia commons

 

Artikel: Nora Thielen


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