Bewusstsein: Das Tor zur Heilung

Gustave Doré: Das göttliche Licht/ Paradisco Canto, 19. Jahrhundert

Alles ist mit allem verbunden. Nichts geschieht im menschlichen Bewusstsein, ohne dass irgendetwas im Universum darauf reagiert. Moderne Wissenschaftler scheuen sich heute nicht mehr offen zu sagen, dass das Bewusstsein neben Raum, Zeit, Materie und Energie eines der Grundelemente der Welt sein könnte – möglicherweise sogar grundlegender als Raum und Zeit.

 

Vor Jahrtausenden begriffen Menschen die Welt einmal von innen. In den Höhlen von Südeuropa entdeckten unsere Vorfahren die Möglichkeiten, ihre Wahrnehmung zu verändern. Wie im Traum schauten sie die verzweigten Landschaften der Seele, so fanden sie Heilung für ihre Familien und Stämme.

Später entwickelten Menschen ganz andere Vorstellungen, fern der alten Mythen. Im antiken Griechenland liegen die Ursprünge unseres modernen medizinischen Denkens, das in den Mechanismen des Körpers nach dem Geheimnis von Krankheit und Gesundheit sucht. Doch hatten antike Ärzte wie Hippokrates noch Zugang zur alten Kunst des Heilens. Große Ärzte waren gleichzeitig auch Philosophen, echte Weisheitssucher, frei, offen und unvoreingenommen, weit entfernt von Experten- und Spezialistentum. Platon lehrte: „Wenn die Wissenschaft die Menschheit nur dazu bringt, das Stückwerk zu schauen, dann eignet sie sich nicht.“ So forderte er, die Lehre solle dazu beitragen, die Seele auf das über uns stehende Höhere, auf die geistige Ebene, auszurichten. Alle Phänomene und Vorgänge in der Natur führte er auf ein einziges immaterielles Grundprinzip zurück. Rationale Erkenntnis und die Verbindung zur geistigen Welt gehörten immer zusammen.

 

Dieses Bemühen um umfassende Zusammenhänge konnte jahrhundertelang nur in Nischen überleben, Wissenschaft und immaterielles Denken schienen unvereinbar. Erst in jüngerer Zeit kommen sich beide Anschauungen wieder näher. Entscheidender Mittler ist dabei das Bewusstsein.

 

Der amerikanische Neurowissenschaftler David Eagleman beschreibt das Bewusstsein treffend als einen blinden Passagier auf einem Ozeandampfer, der behauptet, das Schiff zu steuern, ohne auch nur von der Existenz des gewaltigen Maschinenraums im Inneren zu wissen. Das Bewusstsein ist nicht etwas, das an einem konkreten Ort, nämlich im Gehirn „ist“, sondern das Bewusstsein ist etwas, das Menschen durch ihre Tätigkeit im Austausch mit ihrer kulturellen, biologischen und sozialen Umwelt ständig neu schaffen. Die Hilfsmittel, durch die das Bewusstsein seine Orientierung in der Wirklichkeit erhält, sind nach C.G. Jung vier Funktionen: Die Empfindung, die sagt, dass etwas existiert; das Denken, das sagt, was es ist; das Gefühl, das sagt, ob es angenehm oder unangenehm ist; und die Intuition, die sagt, woher es kommt und wohin es geht. Also eine äußerst komplexe Angelegenheit. Rational wie irrational. Intuition als Ahnung ist nicht das Produkt eines willkürlichen Aktes, sondern ein unwillkürliches Geschehen, das von inneren und äußeren Umständen abhängt, mehr als von objektiven Reizen. Mit anderen Worten unser Bewusstsein ist die Gesamtheit der unmittelbaren Erfahrung, sich selbst in seiner ganzen Vielschichtigkeit wahrzunehmen, und zwar als Teil einer äußerst wandelbaren Umgebung, mit all ihren Vorstellungen, Einflüssen und Gefühlen. Schamanen und primitive Medizinmänner erfassten diese Vielgestaltigkeit intuitiv, sie wussten. Kaum einer hätte Heilerfolge, die er durch Seelenflüge erreichte, erklären können, zumindest für uns nur schwer verständlich. Erklärungen bietet heute die Wissenschaft.

 

Quantenphysik: die Brücke zwischen Geist und Materie

Werner Heisenberg, einer der Väter der Quantenphysik und Gründer des Max-Planck-Instituts, prophezeite: „Eines Tages wird die Wissenschaft auf dem Boden des Bechers des Wissens Gott finden.“ Er hatte 1927 die Heisenbergsche Unschärferelation formuliert, eine fundamentale Aussage der Quantenmechanik. Der deutsche Nobelpreisträger hatte herausgefunden, dass man bei subatomaren Teilchen nicht gleichzeitig Ort und Impuls genau bestimmen kann, weil es sich entweder als Teilchen oder als Bewegung manifestiert. Dies war der Beginn einer sehr wichtigen Erkenntnis der Quantenphysik: Der Beobachter wirkt mit seinem Bewusstsein unweigerlich auf das beobachtete Objekt ein und verändert es. Eine absolut objektive Wissenschaft ist somit also gar nicht möglich, da die Erwartung des Forschers sich auf das Forschungsresultat auswirkt, er durch seine eigene Haltung, positiv oder negativ, selbst auf das Ergebnis Einfluss nimmt. Der Naturforscher Dr. Hans Hertel sagt, er habe von Physikern das Wort „Gott“ häufiger gehört als von Ärzten oder Biologen. Tatsächlich nimmt mit diesen Erkenntnissen ein neues Gefühl der Heiligkeit in die Wissenschaft Einzug. Im Bewusstsein sieht die Quantenphysik eine Kraft, die in der Lage ist, die sichtbare, messbare Realität zu formen, religiös gesprochen wie Gott schöpferisch zu wirken. Womit sich bestätigt, Gedanken sind Dinge und was auch erklärt wie Affirmationen und andere suggestiven Techniken funktionieren.

Alles ist mit allem Verbunden

Elektronenbeugungsmuster eines Quasikristalls
Elektronenbeugungsmuster

In der Welt kleinster Teilchen können Partikel selbst über große Entfernungen miteinander kommunizieren. Die sogenannte Quantenteleportation ist ein Vorgang, durch den eine Informationseinheit von einem Teilchen auf ein anderes Teilchen übertragen werden kann, unabhängig von Ort oder Entfernung. Ein Phänomen, das subtile energetische Prozesse erklärt, die bei Fernheilungen eine entscheidende Rolle spielen. Oder auch die Homöopathie vom Nimbus des Unerklärlichen erlöst, denn sie heilt ja nicht mit nachweisbaren materiellen Substanzen, sondern mit Information, einem völlig immateriellen Wirkstoff.

 

Heilung aus den Tiefen des Unbewussten

Im magischen Kreis unseres Selbst, in der Nähe des Zentrums unseres urinnersten Heiligtums, ist das Kollektive Unbewusste angesiedelt. Neben unserem unmittelbaren Bewusstsein, welches unserer persönlichen Natur entspricht, existiert nach Jung ein zweites psychisches System einer kollektiven, universellen und unpersönlichen Natur, die in allen Individuen identisch vorhanden ist. Es beinhaltet alle Erfahrungen der Menschheit und ist bevölkert von den sogenannten Archetypen oder Urbildern. Diese Bilder der Seele haben jenseits der Zeiten und Kulturen eine grundlegende Gültigkeit für alle Menschen.

 

Formes Circulaires, Robert Delaunay 1912 Wo immer das Motiv des Kreises auftaucht, ob in alten Sonnenkulten, religiösen Darstellungen, Mythen oder Träumen, immer weist es auf das Leben in seiner ursprünglichen Ganzheit hin.
Robert Delaunay: Formes Circulaires ( 1912 ) Wo immer das Motiv des Kreises auftaucht, immer weist es auf das Leben in seiner ursprünglichen Ganzheit hin.

Symbolisch entsprechen diese tiefen Schichten der Seele dem Meer. Ein gewaltiges Meer von Informationen, über das unser Geist wie ein Boot gleitet. Im Boot sitzt als Beobachter das Ich. Bisweilen verlässt es das Boot, taucht tiefer ins Meer, gleitet in die Bilderwelt der Träume, oder auch der Trance. So kann es sein Blickfeld erweitern, kann jenseits des Wachzustandes, der uns als eigentliches Bewusstsein erscheint, die Tiefe der Seele auf andere Weise ausloten. Ohne dass sich ein Mensch im Wachzustand vollständig erinnert, kann sich seine innere Haltung auf diesem Wege grundlegend ändern. In solch außergewöhnlichen Zuständen ist das Bewusstsein in der Lage, mit dem Körper und auch mit Symptomen einer Erkrankung in Kontakt zu treten. Es kann Einfluss auf biologische Regelkreise nehmen und Veränderungen wahrnehmen, die es im Wachzustand niemals erfassen würde.

 

Ein durch die Ahnen seiner Ethnie berufene Schamane aus Sibirien oder ein afrikanischer Medizinmann erlebt diesen außergewöhnlichen mentalen Zustand stets als reales Geschehen, das scheinbar außerhalb seines Geistes stattfindet. Manchmal sieht er sich selbst von außen, ähnlich wie es von Nahtoderfahrungen berichtet wird. In diesem Zustand hat er direkten Zugang zum Unbewussten und dessen Urbildern. Die Fähigkeit intuitiv - also ohne rationales Nachdenken - Zusammenhänge zu erfassen, ist voll entwickelt und äußert sich häufig in Visionen, die später vor dem eigenen religiösen Hintergrund gedeutet werden. Um solche Zustände zu erreichen, werden bestimmte Formeln, rituelle Handlungen und mentale Techniken eingesetzt. Lediglich zehn Prozent der Schamanen benutzen bewusstseinserweiternde Drogen. Gerade die Fähigkeit zur Trance ohne Drogen ist ein Kennzeichen des klassischen Schamanismus. Am wichtigsten für diese Reisenden an den Grenzen der Wahrnehmung ist die Erkenntnis, dass es einen Zusammenhang zwischen allen Dingen und allen Lebewesen der Welt gibt, dass niemand allein und isoliert ist, sondern stets auf vielfältige, wenn auch unsichtbare Weise eingebunden ins Ganze. Und dass es neben unserer sichtbaren Welt des Alltags unsichtbare und um ein Vielfaches größere Regionen gibt, die von unendlichen Scharen lebender Wesen bewohnt werden, nenne man sie nun Elementarteilchen, Wellen, Schwingungen oder Geistwesen. Dieses umfassende Weltbild stellt uns einen unendlichen Raum der Hilfe zur Verfügung, der uns in der Bahn hält oder auch in die Bahn zurückbringen kann, wenn es uns einmal hinausschleudert.

 

Literatur:

C.G. Jung: Der Mensch und seine Symbole, 2009, S.61 f.

M.- L. von Franz, in: C.G. Jung a.a.O. 2009, S.161 f.

Joachim Faulstich: Das heilende Bewusstsein, 2006, S.9 f., S.98 ff., S.131 ff.

Online-Lexikon für Psychologie und Pädagogik: Bewusstsein

Dr. Hans U. Hertel: Das Geheimnis des Lichts, in: ZeitenSchrift Nr 49, S.54

Benjamin Seiler: Noetik: Raumfahrt durchs innere Universum, in: ZeitenSchrift Nr 67, S.61

                                                                                                                                                                                                           Bildquellen: wikimedia commons                                                                                                                                                               Artikel: Nora Thielen


Kommentar schreiben

Kommentare: 0